M.O.N.E.Y.
Als chronologisch zweiten Track und tatsächlich ersten an dem wir
gemeinsam in einem Studio arbeiteten, wählten wir bewusst das
treibende Rock’n’Roll-orientierte ‚M.O.N.E.Y.‘. Wir kannten uns
noch kaum und wollten ein Gefühl für unsere künftige
Zusammenarbeit gewinnen. Mit seiner Energie war ‚M.O.N.E.Y.‘
einfach ein Track der enormen Spaß versprach und erschien uns
daher als perfekte Wahl um eine möglichst erfolgreiche, erste
Session zu absolvieren. Aus dem Stand heraus entwickelte sich
schnell eine gute Chemie und ein ebenso effektiver Workflow. Wir
hatten tatsächlich viel Spaß bei den Aufnahmen, waren äußerst
zufrieden mit dem Ergebnis dieser ersten gemeinsamen Session
und sind bis heute glücklich ganz augenscheinlich an diesem Abend
die richtigen Weichen für alles Folgende gestellt zu haben. Und, wir
lieben dieses groovende Chaos des Outros! ...(Thomas)
Der Text zu „M.O.N.E.Y“ entstand zwischen zwei Jobs. Nach Schichtende des ersten hatte ich
etwas mehr als drei Stunden Zeit, bevor ich mich wieder auf den Weg zum zweiten Job machen
musste. Ich befand mich in einem nachdenklichen Klima, weil mir bewusst war dass das Geld am
Ende doch wieder nur für den knappen Lebensunterhalt reicht, wenn ich sehr sparsam lebe. Es ist
ein positiver, energiegeladener Song, der für mich sehr gut transportiert dass motivierte Arbeit auch
entsprechend entlohnt werden muss. Ich lege keinen Wert auf übertriebenen Konsum. Aber das
Leben macht einfach keinen Spaß, wenn man sich nicht auch ab und zu etwas leisten, oder
großzügig zu anderen sein kann. „I'll have my butter without bread if the budget's too
tight“…(Melanie)
What You See Is What You Get
Wurde im Verlauf der Aufnahmen zu einem späteren Zeitpunkt ‚Nothing But Mirrors’ unsere
Verbeugung vor den großartigen Jazz Balladen einer Billie Holiday, bezeugt ‚What You See Is
What You get‘ unsere Liebe für die eher bluesigen Balladen eines Otis Redding und anderer
Künstler des legendären Stax-Labels während der 60s. Sparsam und luftig, nur mit Rhythm-Group
und Brass-Section instrumentiert, lässt ‚What You See Is What You Get‘ viel Raum um Mel’s
großartiges Vocal-Arrangement und Lyrics zur Geltung kommen zu lassen…(Thomas)
WYSIWYG ist ein Blues mit einer kathartischen Wende. Es handelt im Prinzip von meiner
Schwäche, soziale Verhaltenscodes zu lesen und anzuwenden. Im weiteren Sinne stellt es aber
auch die Frage, ob solche Codes überhaupt notwendig sind, oder ob sie nicht Wesentliches
verschleiern oder entstellen. Ich habe z.B. einmal den Rat bekommen, nach einem Date auf keinen
Fall den ersten Schritt zu machen sondern unbedingt zu warten ob ER anruft, um sich rar zu
machen und desinteressiert zu wirken. Ich kapier es einfach nicht... Wenn ich jemand mag, darf die
Person das auch wissen. Was derjenige daraus macht ist nicht meine Angelegenheit. Und wenn ich
nicht zurückgemocht werde, dann ist das vielleicht im ersten Moment bitter, aber ehrlich. Und es hat
immerhin eine Person auf diesem Planeten bestätigt bekommen, dass sie liebenswert ist. Da kann
man doch gar nichts verlieren! Ich beobachte Menschen manchmal wie hinter einer Kamera, und
speichere für mich einzelne Frames als Fotos ab, um später genau zu analysieren was eigentlich
gemeint war. Früher habe ich krampfhaft versucht, mich anzupassen und „richtig“ zu verhalten. Das
war nur verwirrend und frustrierend. Inzwischen bin ich sehr zufrieden damit, dass ich nun mal
einfach anders funktioniere:„I'd rather keep it simple“, und bin glücklich damit…(Melanie)
Gipsy Woman
Diesem Track kommt eine besondere Bedeutung im Rahmen unseres Debütalbums zu. Nicht nur
markiert ‚Gipsy Woman‘ unseren ersten Radioeinsatz, auch die Wahl des Bandnamens unseres
Projekts ist eng damit verknüpft. Es gibt da diesen alten R&B-Klassiker von Charles Sheffiled mit
dem Titel ‚It’s Your Voodoo Working‘, der jüngst ebenso ziemlich erfolgreich von der
wunderbaren Imelda May interpretiert wurde. Wir beide mochten den holprigen, dennoch
treibenden Groove dieses Songs und hatten große Lust einmal etwas Ähnliches zu machen. Um es
vorweg zu nehmen, entwickelte ‚Gipsy Woman‘ von Beginn an ein Eigenleben, arrangierte sich
nahezu von alleine in eine deutlich andere Richtung und erinnert allenfalls noch entfernt an seine
ursprüngliche Inspiration. Was blieb ist die gemeinsame stark rhythmisch orientierte Qualität und
unser spontan entdecktes Faible für das Wort Voodoo. Somit entstand mit ‚Gipsy Woman‘ nicht
nur ein mitreißend groovender Track sondern auch die Idee zu unserer künftigen Projekt-Identität.
(Der zweite Teil des Bandnamens hat seine eigene Geschichte, die wir an dieser Stelle lieber für
uns behalten)…(Thomas)
Dieser Song drückt sowohl im Text als auch in der Musik aus, was ich unter Voodoo verstehe. Ein
guter Moment um klarzustellen, dass ich überhaupt keine religiösen Bezüge dazu habe. Vielmehr
verstehe ich darunter, dass ein guter Groove geradezu magisch wirken kann – er bringt Bewegung
in die Hüften und man bewegt sich wie von einer unsichtbaren Macht ferngesteuert. Musik ist das
einzige Mojo, das für mich funktioniert. Es ist ein bisschen wie Verliebtsein; man tut verrückte Dinge
und hat gute Laune…(Melanie)
Rain For Me
Die Grundidee für ‚Rain For Me‘ basiert auf der enormen Wirkung, die ein einzelnes Element –
häufig eine ostinate Bass-Line – einem Song verleihen kann. Es war für mich schon immer
faszinierend wie effektvoll und oft hypnotisch ein solches Element einen Track ankern und tragen
kann. Hervorragende Muster wie ausgezeichnet minimalistische Songs nur mit Bass und
Schlagzeug, bzw. Percussion funktionieren sind bspw. frühe Elvis Presley-Nummern wie
‚Crawfish‘ oder seine Interpretation des Otis Blackwell Standards ‚Fever‘. Genau das haben wir
versucht mit ‚Rain For Me‘ zu erreichen. Die Kesselpauken und das Rockabilly-artige ‚Grady
Martin‘-Style Gitarrensolo fügten der Atmosphäre noch den nötigen Tupfer düstere Dramatik hinzu
und machten ‚Rain For Me‘ letztlich zu einem unserer liebsten Tracks…(Thomas)
Meine Methode Texte zu schreiben besteht im Wesentlichen darin, den Track wiederholt anzuhören
und dabei laufen zu gehen. Ich lasse einfach die Musik auf mich wirken und tauche dabei komplett
in die Stimmung ein. Dabei kommen dann von alleine Bilder auf, die ich nur noch aufzuschreiben
brauche. Bei ‚Rain For Me‘ besteht von Anfang an eine eher schwüle Atmosphäre, die im mittleren
Teil durch die rumpelnden Toms immer gewittriger wird. Es erinnert mich stark an die typischen
Tage, bei denen man schon mit Kopfschmerzen aufwacht weil das Wetter so gruselig ist und an
denen man einfach nur hofft, dass der Regen schnell kommt damit sich der Himmel wieder
aufklaren kann. Natürlich handeln die Lyrics nicht vom Wetter sondern von vergleichbaren
Lebenssituationen, in denen man lieber ein Ende mit Schrecken herbeiwünscht als einen Schrecken
ohne Ende…(Melanie)
Linger With You
„Luftig, leicht verträumt, mehr Liverpool als Detroit…“ Die entspannte, schwerelose Atmosphäre von
‚Linger With You‘ mit seiner synkopierten Rhythmik und dekorativen Orchester- und E-Pianofarben
belebt die sehr ähnliche Soundqualität von ‚Ferry Cross The Mersey‘ wieder. Ein vom legendären
George Martin produzierter Titel der Merseybeat-Ikonen Gerry & The Pacemakers, der um die
Jahreswende 1964/65 mehrere Wochen hohe Chartpositionen beiderseits des Atlantiks erzielte. Ich
erinnere mich gut, dass mir diese Nummer häufig durch den Kopf ging, während ich darüber
nachdachte welche Stimmung ein Song haben sollte, der innerhalb der Albumsequenz nach
lebhafteren Tracks wie ‚Gipsy Woman‘ und ‚Rain For Me‘ zum eher langsameren, dunkleren
Drittel der Albummitte überleiten könnte. Tempo, Stil und Sound von ‚Linger With You‘ erfüllte
dieses Kriterium ideal und Mel’s Lyrics verstärken diese Wirkung nochmals erheblich…(Thomas)
Ich bin kein großer Fan von Liebesliedern, weil sie mir meist zu unrealistisch sind. Das echte Leben
ist nun mal kein Disneyfilm, in dem ein Wunder nach dem anderen geschieht und am Ende alles
perfekt ist. Aber das ist vielleicht auch gar nicht nötig. Jeder kennt vermutlich das Gefühl, dass sich
in der richtigen Gesellschaft ein Moment trotzdem „perfekt“ anfühlt und man am liebsten darin
verweilen möchte. Es kann also auch erschreckend simpel sein und ohne schwülstige
Liebeserklärungen auskommen: „Would you mind if I linger with you?“…(Melanie)
Dizzy
Unser allererster gemeinsamer Track. Von Mel alleine geschrieben existierte ‚Dizzy‘ bereits in
verschiedenen, mit einem befreundeten Produzenten aufgenommenen Demo-Versionen bevor wir
das erste Mal unmittelbar zusammenarbeiteten. Offenbar war aber niemand restlos zufrieden wie
der Track sich entwickelte. Eine frühe, nur rudimentär ausschließlich mit Rhythm-Group eingespielte
Version erregte meine Aufmerksamkeit und ich wurde gebeten ein alternatives Arrangement zu
schreiben. Ich erhielt die Basic-Tracks, entschloss mich lediglich das Vocal-Arrangement, E-Piano
und Drums zu verwenden, den Rest selber neu einzuspielen und zusätzlich noch Strings und Brass
zu arrangieren. Ich mochte den Song von Anfang an, war äußerst angetan von Mel’s Vocals und
hatte wenig Mühe dem Track ein runderneuertes Arrangement zu verpassen mit dem Mel erkennbar
sehr glücklich war. Während der Arbeit an ‚Dizzy‘ keimte schnell die Idee in mir gemeinsam ein
komplettes Album einzuspielen, dass stilistisch fortführen sollte was bei dieser ersten
Zusammenarbeit entstanden war. Mel stimmte dem zu, wir skizzierten den stilistischen Rahmen des
anvisierten Albums und begannen die Arbeit zu dem was innerhalb von nur sechs Monaten ‚Shaken
Not Stirred‘ werden sollte…(Thomas)
‚Dizzy‘ ist das älteste Stück auf ‚Shaken Not Stirred‘. Es wurde vor einigen Jahren im Prinzip auf
einer öffentlichen Toilette geschrieben. Mir fiel die hübsche Melodie für den Vers mehr oder weniger
im Ganzen ein, und ich musste mir schnell einen Text dazu ausdenken, damit ich sie mir besser
merken konnte. Damit wurde es ausgerechnet eine für mich eher untypische „Schnulze“, die ganz
ohne Düsternis auskommt. Daheim musste ich dann nur noch am Klavier ausprobieren, welche
Harmonien am besten dazu passen. Ich kann mich ehrlich gesagt gar nicht mehr genau erinnern,
welches Lächeln ich damals so bezaubernd fand, aber ich finde gut dass daraus ganz spontan ein
ganzer Song entstanden ist…(Melanie)
Skinny Dipping
Vermutlich der Track, der die radikalste Transformation während seiner Entstehung durchmachte.
Nachwievor bin ich ein Fan des „Album-Konzepts“ und mag, wenn innerhalb eines gesteckten
Rahmens durchaus unterschiedliche Stile passend ausbalanciert sind und insgesamt einen
stimmigen Spannungsbogen bilden. Ich hatte stets ein heimliches Faible für diese oft trickreich
komponierten, aber luftig und unaufgeregt klingenden Bossa Nova-Songs der frühen 60s. ‚Skinny
Dipping‘ war ursprünglich genau als solcher geplant und sollte mit seiner fedrigen Rhythmik und
leichten Easy Listening-Anklängen im mittleren, eher jazzigen Teil des Albums dazu beitragen die
Brücke zwischen den eher Soul, R&B und Rock’n’Roll-orientierten, schnelleren Tracks zu bilden, die
Anfang und Ende des Albums dominieren. Im Wesentlichen basierend auf in den Versen eher
dunkel-gedeckten, und in den Refrains hellerer und offenerer Moll, bzw. Dur 2-5-1 Progressionen
hätte ‚Skinny Dipping‘ auch lediglich mit Drums, Bass und Guitar oder Piano funktioniert. Letztlich
erschien mir das allerdings dann doch etwas zu „nackt“ im direkten Vergleich zu den üppiger
arrangierten Tracks die ‚Skinny Dipping‘ vorangingen, bzw. nachfolgten. Offengestanden musste
ich ein ziemliches Weilchen nachdenken, bis ich auf die optimale Lösung des „Problems“ kam. Ich
entschloss mich ‚Skinny Dipping‘ ebenfalls einen Hauch dieser kühlen „James Bond Soundtrack-
Ästhetik“ zu verpassen, die bereits einige unserer anderen Tracks durchzieht, war selbst vom
Ergebnis überrascht, äußerst zufrieden und habe die Entscheidung keine Sekunde
bereut…(Thomas)
Als großer Fan von A.C. Jobim und Elis Regina war ich begeistert von der Idee, einen Bossa
Nova Track zu machen. Trotz aller Leichtfüßigkeit und Augenzwinkern wird das Arrangement von
Sinnlichkeit getränkt. Der Text ist eine Hommage an die Nacht, in deren sicherer Umarmung die
meisten Menschen sich zu ihrer weniger rationalen Seite verwandeln. „I can see better at night“ ist
zugegebermaßen sogar ein kleiner Scherz auf meine eigenen Kosten. Ich bin ein absoluter
Nachtmensch und kann vor Einbruch der Dämmerung beim besten Willen keine Texte schreiben,
weil ich tagsüber einfach weniger Bilder sehe. Als ich an einem Nachmittag mit ein paar Skizzen zu
‚Skinny Dipping‘ am Verzweifeln war, dachte ich mir einfach „was soll‘s, wie immer wird es abends
wohl besser laufen“. Und genau so war es dann...(Melanie)
All Across The Sky
Einer der ersten Titel, die wir gemeinsam aufnahmen und zusammen mit ‚Nothing But Mirrors‘ der
zentrale Anker des eher von dunklerer, jazziger Ästhetik geprägten, mittleren Drittels des Albums.
Die kühle, leicht düstere Stimmung des Tracks speist sich vornehmlich aus einer interessanten,
spannungsreichen I-Moll/I#-Dur7b5 Akkordverbindung, Tremolo-Streichern, wuchtigen
Kesselpauken und einer „geisterhaften“, aus der Ferne kommenden, hohen Frauenstimme.
Gemeinsam mit den Bläsereinwürfen und synkopiertem Besen-Schlagzeug prägen diese Elemente
die Atmosphäre des Tracks, der irgendwo zwischen Amy Winehouse, James Bond-
Filmmusikästhetik und Spaghetti-Western angesiedelt ist. Ätherisch mit einem Hauch majestätischer
Eleganz ist ‚All Across The Sky‘ sicher einer unserer eigenwilligeren Tracks, dessen Flair unsere
Reise durch die 60s aber wundervoll abrundet…(Thomas)
Der Text zu ‚All Across The Sky‘ hat wohl die meisten Transformationen durchlaufen. Ich wollte
eine Geschichte über das Ende einer Jugendliebe schreiben. Wenn es einfach nicht funktioniert gibt
es nicht viel zu sagen. Trotzdem hinterlässt so eine gescheiterte erste Erfahrung natürlich viele
Fragen, die nicht immer beantwortet werden können. Um diese „Sprachlosigkeit“ in den Song zu
bringen musste der Text immer wieder umgeschrieben und zu einem Destillat verknappt werden, in
dem nur noch die wesentlichen Informationen erhalten blieben. Die Verse erinnern in ihrer finalen
Form fast an ein Haiku, was ich sehr passend finde, da in diesen traditionellen Gedichten
Jahreszeiten häufig symbolisch verwendet werden. Mir gefällt das Bild vom „Winter“, in dem eine
Beziehung eingefroren wird, sehr gut, da es keine allzu düstere Schlussszene setzt. „We danced in
the snow, till the music died“…(Melanie)
Nothing But Mirrors
Mel ist ein großer Fan von Billie Holiday, ich selbst habe ebenso ein heimliches Faible für Jazz
Ballads…wir konnten letztlich der Versuchung nicht widerstehen zumindest eine reinrassige Jazz
Ballade mit aufs Album zu nehmen. Zum Einen macht es einfach wirklich Spaß so ein Stück mit
einem aufs Essentielle verdichteten, sparsamen Arrangement zu versehen…Andererseits denken
wir im Sinne der Zuhörer nachwievor in Albumformaten. Auf der Reise vom ersten zum allerletzten
Track bildet ‚Nothing But Mirrors‘ den perfekten Abschluss des bereits erwähnten kühleren,
jazzigeren Albumabschnitts. Eine sinnliche, musikalische Verschnaufpause bevor ‚Shaken Not
Stirred‘ für sein letztes Drittel nochmals erheblich an Fahrt aufnimmt. Tatsächlich ist ‚Nothing But
Mirrors‘ aber mehr, hört euch die Lyrics an! Man kann ihnen schwerlich widerstehen, insbesondere
als Mann…(Thomas)
Eine kleine Jazzballade. Die These dabei ist, dass es keine objektive Realität, sondern nur
Wahrnehmung gibt. Das ist eines meiner Lieblingsthemen überhaupt! Für mich ist faszinierend,
dass es in diesem Dschungel von Einzeleindrücken, die jeder für sich persönlich ununterbrochen
dechiffriert, überhaupt Pfade in die Außenwelt gibt. Sich für jemand zu interessieren, jemand
verstehen wollen … das ist ein wenig wie Wege durch unbekanntes Terrain finden. Oder wie ein
Spiegelkabinett. Sympathie bedeutet dann, die Welt auch ein Stück weit durch die Augen eines
anderen sehen zu wollen und zu können…(Melanie)
Play With Me
Dieser sehr spezielle, zuallerletzt aufgenommene Titel entstand unter besonderen Bedingungen.
Das Album war nahezu komplett eingespielt, es stand nur noch wenig weitere Studiozeit zur
Verfügung, wir hatten einen Überblick über das bisherige Material und wussten „Wir sind durch, es
funktioniert und wir können uns getrost ein kleines Experiment gönnen!“ Der Gedanke gefiel uns
dem unmittelbar vorangehenden, ruhigen ‚Nothing But Mirrors‘ einen ziemlich robusten
Weckschlag folgen zu lassen. Genug sorgfältig komponiertes, ausarrangiertes Material gab es
bereits, und so reizte es mich einmal in die genau entgegengesetzte Richtung zu gehen. Ich
erinnerte mich an John Lennon, der unbedingt einen Song mit nur einem einzigen Akkord
schreiben wollte (und mit ‚Tomorrow Never Knows‘ diesen 1966 auf ‚Revolver‘
veröffentlichte)…und ich erinnerte mich an den Meister der One Chord-Songs, Bo Diddley! Seine
Nummern haben einen unwiderstehlichen Groove bei dem man einfach nicht ruhig bleiben kann. Es
war ein Vergnügen mich mit ‚Play With Me‘ vor dem großen Bo Diddley zu
verneigen…wenngleich ich letztlich dann doch bei zwei Akkorden gelandet bin. Ich nahm also an
einem Tag den Backing-Track auf und an einem weiteren Tag, während ich noch eine Saxofon-
Overdub Session betreute, schrieb Mel die Lyrics um die Nummer noch am selben Abend einsingen
zu können. Wir haben Mels Vocals und die Blues Harp durch einen Verstärker gejagt und alles
schön roh und kantig klingen lassen, ein großer Spaß! ...(Thomas)
Definitiv einer meiner Lieblingssongs auf dem Album. Ich mag den rumpelnden Groove und die
Mundharmonika! Das macht im Handumdrehen gute Laune und treibt mich raus an die frische Luft.
Es war alles andere als sicher ob dieser Track es noch aufs Album schafft, eigentlich hatten wir gar
keine Zeit mehr ihn rechtzeitig fertigzustellen. Als Thomas im Studio das Saxophonsolo für Lip
Service aufnahm, hatte ich jedoch einige Stunden Freizeit. Es war ein warmer Nachmittag im Juni.
Ich machte mich auf in den Fürther Stadtpark und legte mich dort auf die Drehscheibe am
Spielplatz. Eigentlich wollte ich mich nur etwas sonnen. Dann kamen allerdings ein paar Kinder
dazu, die mich erst vorsichtig drehten und dann lauthals aufforderten mit ihnen zu spielen und sie
anzuschubsen. Wir haben eine gute Stunde ausgelassen miteinander gespielt. Es war egal, wie alt
ich war und dass wir uns überhaupt nicht kannten. Wir hatten jede Menge Spaß! Dann habe ich
mich verabschiedet und die Stimmung genutzt, um den Text für ‚Play With Me‘ zu schreiben. Ein
Song, der für mich definitiv klebrige Hände hat und nach sandigen Jeans duftet!...(Melanie)
Ghost In Your Closet
Bereits dieser, in der Chronologie zweite zusammen aufgenommene Track, bildete gewissermaßen
die Blaupause für den Rahmen, der die zukünftigen Tracks des Albums umschließen sollte. ‚Ghost
In Your Closet‘ vereint alle „Zutaten“, die in den darauffolgend aufgenommenen Tracks immer
wieder auftauchen: eine sinnliche, burlesque Atmosphäre, synkopierte von Drums/Percussion und
dominanten Bass-Lines dominierte Rhythmik, orchestrale Kolorationen, die oft eine kühle James
Bond-Filmmusikästhetik transportieren sowie soulige Bläsersätze. In gewisser Weise ist ‚Ghost In
Your Closet‘ somit eine Art Nukleus des Voodoo Princess-Konzepts. Ich war unfassbar glücklich
als Mel mir ihr fertiges Vocal-Arrangement zu dem Backing-Track vorstellte und wusste sofort: „Das
funktioniert!“ Vermutlich hatte ich selten ein so befriedigtes Grinsen im Gesicht, wie in diesem
Moment…(Thomas)
‚Ghost In Your Closet‘ ist ein typischer Song über eine Beziehung, die man aus irgendeinem
Grund verheimlichen muss, oder eine starke Hingezogenheit, die negiert wird. Natürlich funktioniert
das nicht wirklich. Wenn man genau hinsieht, kann man die Hinweise deutlich sehen, „like bordeaux
so red in the snow“. Der tangoartige Vibe des Songs macht die ständig lauernde Gefahr fühlbar. Das
Versteckspiel mag eine Zeitlang reizvoll sein, wie verbotene Dinge es nun mal sind. Es ist aber auch
belastend, immer unsichtbar bleiben zu müssen, wie ein Geist, der im Haus sein Unwesen treibt,
und damit auf sich aufmerksam macht. „There's a ghost in your closet and it's me“…(Melanie)
Déjà Vu
Es gibt da diese typischen Harmonie Progressionen auf denen unzählige alte Soul, R&B und
Rock’n’Roll-Songs basieren, und die man sich ein wenig scheut selbst dann ebenso zu verwenden.
Aber natürlich gehören sie einfach zu diesen Genres, funktionieren und klingen einfach nachwievor
äußerst charmant. Zwei meiner persönlichen Favoriten waren immer ‚Any Other Way‘ von William
Bell, oder ‚Anna‘. Eine Arthur Alexander Komposition, die mir zunächst als Cover-Version der
Beatles von einem ihrer ganz frühen Alben bekannt war. Ich mochte stets dieses chromatische
Drei-Noten Motiv, dass bei ‚Anna‘ die Dur Tonika mit der Moll Parallele verbindet. Bei ‚Déjà Vu‘
passiert etwas sehr ähnliches in den Versen und ist unsere Variante dieser Standard Progression,
ergänzt mit einem Hauch Two Step und Tango-Rhythmik in Transition und Middle Eight…(Thomas)
Es hat großen Spaß gemacht, diesen Song mit Backing Vocals auszumalen! Alle Szenen in diesem
Song sind auf die eine oder andere Weise autobiographisch. Deshalb möchte ich sie auch nicht
allzu sehr erklären. Vielleicht genügt es zu sagen, dass es für mich furchtbar anstrengend ist, Filme
anzusehen, mein erster Kuss verhindert wurde weil ich mich im entscheidenden Moment umgedreht
habe und ich tatsächlich in Bildern denke, was Kommunikation manchmal schwierig macht. Und am
liebsten trinke ich Gin Tonics!...(Melanie)
Lip Service
In keinem richtigen Retro-Soul Album darf ein Motown-Beat getriebener, echter Stomper fehlen. Mit
seinem wilden, ungestümen Schlagzeug, messerscharfen Bläsersätzen und orchestralen
Kontrapunkten ist ‚Lip Service‘ unsere Verbeugung vor dem was den Detroit-Sound der 60s so
anziehend machte. Die Aufnahmen haben einen unfassbaren Spaß gemacht, und ich liebe die Art
wie am Ende alle Elemente ineinandergreifen. Angefangen von der temporeichen, akzentuierten
Arbeit der Rhythm-Group, über den „flirrenden“ Charakter der Strings bis hin zu dem dynamischen,
kompakten Vocal-Arrangement vereint ‚Lip Service‘ alle Qualitäten, die man von originalen Soul-
Klassikern der Hitschmiede aus Detroit gewohnt war…(Thomas)
Ich mochte schon beim ersten Anhören bei diesem Track die energiegeladene Atmosphäre und den
Motown Charakter. Ich hörte allerdings auch in homöopathischen Dosen hauchzarte Gospel Vibes
durch und das brachte mich auf die Idee, diese sowohl durch den Text als auch durch die Backing
Vocals zu verstärken. Der Text ist eine Ansammlung von Wortspielen, die sich bewusst in
Zweideutigkeiten auflösen. Mir sind kleine augenzwinkernde Double Entendres oder Chiffren schon
immer lieber gewesen als platte oder gar obszöne Eindeutigkeiten! Deshalb höre ich wohl auch
lieber Jazz als Rap. Es ist ja nicht so, als wären die Themen vor hundert Jahren andere gewesen,
sie wurden nur sorgfältiger verpackt…(Melanie)
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